Kirchenkreis

„Freiheit wird erst geschätzt, wenn sie fehlt“

4.9.2024

Der Lüdenscheider Arzt und Hausmann Dr. Matthias Klein (vorne links) hielt die erste der diesjährigen Sommerpredigten in der Christuskirche. Ute Leitner (vorne Mitte) leitete den Gottesdienst (Foto: Görlitzer)
Der Lüdenscheider Arzt und Hausmann Dr. Matthias Klein (vorne links) hielt die erste der diesjährigen Sommerpredigten in der Christuskirche. Ute Leitner (vorne Mitte) leitete den Gottesdienst (Foto: Görlitzer)

Von Bettina Görlitzer


LÜDENSCHEID + Predigten mal aus einer anderen Perspektive: Die gab es auch in diesem Sommer wieder in der Lüdenscheider Christuskirche. Insgesamt hatte die Kirchengemeinde zu drei der traditionellen Sommerpredigten in die größte Kirche der Stadt eingeladen. Als Prediger gewonnen werden konnten drei Personen mit ganz unterschiedlichen Biografien, aber allen gemeinsam ist ihr christlicher Glaube.

 

De Auftakt machte der Lüdenscheider Arzt und Hausmann Dr. Matthias Klein. In seiner Predigt ging er der Frage „Wo ist Gott?“ nach. Dabei räumte er ein, dass es viele Gründe gebe, nicht oder nicht mehr zu glauben – denn wo ist Gott, wenn es um Missbrauchsskandale in beiden Kirchen oder um Kriege und Katastrophen gehe? Aber die Tatsache, dass die Frage immer wieder gestellt werde, wertete Matthias Klein als Zeichen dafür, dass „wir Menschen nicht von Gott loskommen.“ Und dabei stünden viele Menschen stehen in der jahrtausendealten Geschichte des Christentums in ihrem Glauben als Vorbilder „in der Reihe vor uns.“ Egal, wo man in der Bibel nachschaue – Gott passe nicht in Schemata, aber er rufe die Menschen, die in seinem Sinne handeln sollen. Wenn der Ruf „Wo bist du Menschenkind, was tust du meiner Schöpfung an?“ nicht gehört werde, sei er „vielleicht zu leise, vielleicht ist es auch um uns herum zu laut.“ Aber es gebe ihn: „Wir müssen von unserem Ich-bezogenen Hochsitz heruntersteigen, sonst bekommen wir von Gott nichts mit.“

 

Es liege am Menschen, Gott zu finden, man müsse bereit dazu sein. Das war Kleins Antwort auf die Frage über seiner Predigt. Jeder könne Gott finden, ihm begegnen, „weil er sich zu erkennen gibt“, ist Klein überzeugt. Aber dieses Erkennen funktioniere nur für die Gläubigen: „Es geht nur über die Begegnung im Glauben.“ Für sie sei die Beziehung zu Gott sei auch heute noch eine lebendige, die Pflege und Vertrauen brauche.

Der FDP-Politiker Jens Holzrichter gehört einem Hauskreis der Christuskirchengemeinde an. Seine Sommerpredigt wurde umrahmt von der Schriftlesung von Ute Leitner und Pfarrerin i.R. Bärbel Wilde (vorder Reihe, von links) mit der Liturgie (Foto: Görlitzer)
Der FDP-Politiker Jens Holzrichter gehört einem Hauskreis der Christuskirchengemeinde an. Seine Sommerpredigt wurde umrahmt von der Schriftlesung von Ute Leitner und Pfarrerin i.R. Bärbel Wilde (vorder Reihe, von links) mit der Liturgie (Foto: Görlitzer)

In der zweiten Sommerpredigt orientierte sich Jens Holzrichter, den Lüdenscheidern vor allem als Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat bekannt, am Text aus dem zweiten Buch Mose über den Auszug aus Ägypten. Der Politiker Holzrichter fühlte sich durch die Bibelverse, in denen das Volk Israel sich bei Mose beklagt, weil es Hunger litt und daher meinte, als Sklaven in Ägypten sei es ihnen besser gegangen, an aktuelle Wahrnehmungen erinnert.  „Früher ging es uns besser“ sagten beispielsweise ehemalige Bürger der DDR und meinten, es hätte Arbeit und genug zu essen gegeben: „Nicht alles und nicht jederzeit. Aber wenn man Beziehungen hatte oder Geduld beim Schlangestehen oder beides, bekam man alles irgendwann.“  Man sei zwar nicht so frei gewesen wie heute, „aber wer sich an die Regeln hielt, zumindest nicht auffiel, konnte sich damals gut einrichten.“

 

Holzrichter verglich diese „Ostalgie“ heutiger Zeit auch mit denjenigen, die noch eine Generation zuvor meinten, im Dritten Reich sei nicht alles schlecht gewesen – und hielt beiden klar entgegen: „Doch, das war es!“ Seine Botschaft: Man dürfe eine Diktatur nicht verharmlosen, indem man eine weniger schlimme Seite in den Vordergrund rückt. „Diktatur bleibt Diktatur, egal ob ein fremdes Volk in Gefangenschaft gehalten wird wie in Ägypten oder das eigene wie in der DDR.“ Das Problem der Freiheit sei, dass sie erst geschätzt werde, wenn sie fehlt.

 

Neben dieser Botschaft zog Holzrichter noch eine zweite aus dem aktuellen Predigttext – diesmal als gläubiger Christ: Gott sorge für sein Volk, und er mache ein fantastisches Angebot, für alle, die an ihn glauben – nämlich ein Leben ohne Sorgen um Alltägliches. Stattdessen verspreche er ein ewiges Leben nach dem Tod.

Die Autorin, Journalistin und Laienpredigerin Sabine Langenbach hielt die dritte ‚Sommerpredigt‘. Einer ihrer Kernaussage dabei war: Im Vertrauen darauf, dass Gott eine Lösung für alle Fragen, Probleme, und Sorgen hat, „zu seiner Zeit“, sei das Bitten in ihren Gebeten weniger geworden, das Danken dafür mehr (Foto: SL)
Die Autorin, Journalistin und Laienpredigerin Sabine Langenbach hielt die dritte ‚Sommerpredigt‘. Einer ihrer Kernaussage dabei war: Im Vertrauen darauf, dass Gott eine Lösung für alle Fragen, Probleme, und Sorgen hat, „zu seiner Zeit“, sei das Bitten in ihren Gebeten weniger geworden, das Danken dafür mehr (Foto: SL)

Die letzte Sommerpredigt hielt die Autorin, Journalistin und Laienpredigerin Sabine Langenbach, die unter anderem als „Dankbarskeitsbotschafterin“ einen YouTube-Kanal betreibt. Und auch sie legte den Fokus auf Sorgen und Ängste – daran festzuhalten sorge mitunter dafür, dass Menschen wie gelähmt seien und nicht offen sind, neues zu beginnen. Dabei gehe es sowohl die um die großen Themen der Zeit wie Klimawandel, Krieg oder Extremismus als auch um die ganz unterschiedlichen persönlichen Dinge, die Ängste verursachen können. Und selbst kleine Sorgen können mit der Zeit immer belastender werden, wenn man krampfhaft daran festhalte, wie eine eigentlich gar nicht so schwere Wasserflasche, die man permanent mit sich herumträgt. Dabei hätten inzwischen sogar Studien bewiesen, dass es Menschen besser gehe, die sich nicht ständig um etwas sorgten, zumal das allermeiste davon auch nie eintreffe. Ihre Botschaft: Nur, wer seine Sorgen loslasse, könne etwas verändern. Sie habe für sich als Christin die Kraft für diese positive, dankbare Haltung aus dem Glauben zu ziehen. Im Vertrauen darauf, dass Gott eine Lösung für alle Fragen, Probleme, und Sorgen hat, „zu seiner Zeit“, sei das Bitten in ihren Gebeten weniger geworden, das Danken dafür mehr. Damit könne sie auch leichter alle aktuellen Sorgen loslassen.